Vermögensauskunft in Polen
Die Vermögensauskunft erfolgt in der Regel auf Antrag des Gläubigers in Fällen, in denen das Vollstreckungsverfahren keine ausschlaggebenden Gründe zur Annahme, dass die geforderten Schulden vollständig getilgt werden, gibt. Dieses Verfahren ist sehr effektiv, da die Vermögensauskunft mit Zwangsmaßnahmen erzwungen werden kann, wohingegen eine Verweigerung bzw. falsche Angabe im Vermögensverzeichnis mit Geld bzw. Freiheitsstrafen von bis zu 8 Jahren geahndet wird.
Die Vermögensauskunft in Polen wird durch den Artikel 913 des polnischen Kodeks postępowania cywilnego (weiterhin KPC genannt) geregelt.
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Praxis von Zwangsvollstreckung aufgrund deutscher Vollstreckungstitel in Polen
Einleitung
Mit diesem Beitrag möchten wir den deutschen Lesern Voraussetzungen zur wirksamen Einleitung einer Zwangsvollstreckung in Polen aufgrund deutscher Vollstreckungstitel erläutern.
Wenn wir die bisherige Erfahrung unserer Kanzlei in Bezug auf die Einleitung der Zwangsvollstreckung aufgrund deutscher Vollstreckungstitel in Polen betrachten, so können wir die Schlussfolgerung ziehen, dass am häufigsten „gewöhnliche“ Urteile durch die Mandanten oder deren deutschen Anwälte uns überreicht werden. Das bedeutet, dass wir vor allem mit der Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachstehend als Verordnung 1215/2012) zu tun haben.
Europäischer Vollstreckungstitel gemäß die Verordnung Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (nachstehend als Verordnung 805/2004) oder das europäische Mahnverfahren aus der Verordnung Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (nachstehend als Verordnung 1896/2006) kommen nur selten zur Anwendung. Wir können nur vermuten, dass es vor allem auf sehr enge Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung Nr. 805/2004 zurückzuführen ist[1] bzw. dass bei einem solchen Verfahren ein besonderes Formular durch den Prozessvertreter verwendet werden soll.[2] Diese beiden Verordnungen und die damit verbundenen Vollstreckungstitel werden von uns kaum zur Zwangsvollstreckung verwendet.
Die überwiegende Mehrheit von ausländischen Vollstreckungstiteln, die wir zur Vollstreckung in Polen erhalten beziehen sich also auf die Verordnung 1215/2012. Das Gute an dieser Verordnung besteht darin, dass sie ein „gewöhnliches“ Gerichtsverfahren zum Gegenstand hat, das auch mit einer „nationalen“ Entscheidung des Gerichts endet. Die Mehrarbeit besteht eigentlich nur darin, die „nationale“ Entscheidung des Gerichts mit einer Bescheinigung aus dem Art. 53 der Verordnung Nr. 1215/2012 versehen zu lassen, die die „nationale“ Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung in dem Ursprungsland bestätigt.
Vollstreckungstitel
In Polen wird eine Zwangsvollstreckung aufgrund von Vollstreckungstiteln durch Gerichtsvollzieher eingeleitet. Im Licht des Art. 42 Abs. 1 der Verordnung 1215/2012 wird somit die „nationale“ (deutsche) Entscheidung des Gerichts des Ursprungslandes (Deutschland) gemeinsam mit der Bescheinigung aus dem Art. 53 dieser Verordnung ein Vollstreckungstitel bilden, der mit einer vereidigten Übersetzung ins polnische Sprache (Art. 42 und 57 der Verordnung 1215/2012) dem polnischen Gerichtsvollzieher[3] mit einem einschlägigen Vollstreckungsantrag direkt vorgelegt wird.
Eine Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang ausländische Vollstreckungstitel, die im Rahmen von Verfahren ergangen sind, die vor dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden waren. Solche „alten“ Vollstreckungstitel unterliegen gemäß Art. 66 der Verordnung 1215/2012 der ursprünglichen Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachstehend als Verordnung 44/2001). Laut Art. 38 ff. der Verordnung 44/2001 war der Gläubiger dazu verpflichtet neben einer Bescheinigung des Ursprungslandes auch eine lokale Bescheinigung des polnischen Gerichts einzuholen. Die „alte“ Rechtslage war somit viel umständlicher für den Gläubiger und bedarf von ihm der Einholung von zwei Bescheinigungen, was allerdings die Zwangsvollstreckung in die Länge gezogen hatte und die Erfolgsaussichten verringerte. Dies ist vor allem deswegen wichtig anzusprechen, weil in unserer Kanzlei immer noch Urteile ankommen, die in den vor 10. Januar 2015 eingeleiteten Gerichtsverfahren ergangen sind. Man kann es sich auch gut vorstellen, dass ein wirklich „geduldiger“ Gläubiger vom Art. 197 § 1 Nr. 3 oder 4 BGB Gebrauch machen und erst jetzt ein rechtskräftiges Gerichtsurteil nach einigen Jahren in Polen vollstrecken möchte.
Gerichtsvollzieher und dessen Zuständigkeit
In Polen kann man sich für die Zwangsvollstreckung grundsätzlich einen beliebigen Gerichtsvollzieher aussuchen und bei ihm den Antrag auf Zwangsvollstreckung stellen.[4] Eine Ausnahme bildet nur die Zwangsvollstreckungsverfahren aus Immobilien – solches Zwangsvollstreckungsverfahren darf nur durch diesen Gerichtsvollzieher geführt werden, der örtlich für diese Immobilie zuständig ist. Praktisch gesehen wendet man sich allerdings an solchen Gerichtsvollzieher, der seine Kanzlei in der Nähe des Schuldners führt, um eben auch Vollstreckungshandlungen vor Ort bei dem Schuldner unverzüglich und erfolgreich durchzuführen, z.B. Sicherstellung von beweglichen Sachen, Festlegung des Vermögens eines Schuldners etc.
Die Gerichtsvollzieher werden immer bei einem Rayongericht[5] bestellt, die Vollstreckungsanträge und –titel werden allerdings direkt bei dem ausgewählten Gerichtsvollzieher eingereicht. Die Rayongerichte sind dann eher Kontrollorgane, die Handlungen eines Gerichtsvollziehers einer Prüfung unterziehen, bzw. an die sich der Schuldner mit seiner Verteidigung wenden darf.
Antrag auf die Zwangsvollstreckung
Der Antrag auf die Zwangsvollstreckung ist ein besonderes Prozessschreiben, für das kein gesondertes Formular vorgeschrieben ist. Aufgrund dessen, dass es sich hier um ein Prozessschreiben handelt, müssen folgende Daten enthalten werden:
· den Adressaten des Antrag, d.h. den ausgewählten Gerichtsvollzieher;
· Parteien des Antrags mit Adressen, d.h. der Gläubiger und Schuldner, wobei der ausländische Gläubiger mindestens eine Zustellungs- und einen Zustellungsbevollmächtigten für Polen angeben sollte. Hier werden grundsätzlich polnische Rechtsanwälte angegeben;
· Liste von Anhängen;
· Unterschrift des Gläubigers oder des Prozessbevollmächtigten;
· eventuell eine Vollmacht.
Aufgrund dessen, dass es sich hier um einen Vollstreckungsantrag handelt, müssen sich noch in dem Schreiben zusätzliche für die Vollstreckung erforderliche Elemente befinden:
· die „nationale“ (deutsche) Entscheidung des Gerichts des Ursprungslandes (Deutschland);
· Bescheinigung aus dem Art. 53 der Verordnung 1215/2012;
· vereidigte Übersetzung der Unterlagen ins polnische Sprache;
· Angabe der Forderung, die vollstreckt werden soll, auch mit Gerichts-, Anwalts- und Vollstreckungskosten;
· Angabe von Vollstreckungsmaßnahmen aus der polnischen Zivilprozessordnung,[6] die durch den Gerichtsvollzieher angewendet werden sollen.
Praktisch gesehen, soll man dem Gerichtsvollzieher auch alle weitere Informationen über den Schuldner und sein Vermögen liefern, die ihm das schnelle Einleiten der Zwangsvollstreckung und Ausführung erster Maßnahmen ermöglichen können. Dazu zählen:
· Steuernummer;
· Bankkontonummer;
· Autokennzeichen;
· Grundbuchnummer mit Grundbuchauszug;
· Drittschuldner (Schuldner des Schuldners);
· Hinweise auf bewegliches Vermögen und weitere Rechte, z.B. Beteiligung an Unternehmen (mit Registerauszügen).
Ablauf der Zwangsvollstreckung
Nach Stellung einer vollständiges Antrags bei dem Gerichtsvollzieher in Polen endet die eigentliche Arbeit des Gläubigers und fängt die richtige Arbeit des Gerichtsvollziehers an. Die ersten Maßnahmen des Gerichtsvollziehers beziehen sich auf die Feststellung des Vermögens des Schuldners und dessen Sicherstellung. Hier kann allerdings der Schuldner aktiv werden und Rechtsinstitute anwenden, die entweder die ganze Zwangsvollstreckung ausschließen (Berufung gegen Vollstreckungstitel), einzelne Maßnahmen verhindern (Berufung gegen Sicherung von Vermögensteilen mit der Begründung, dass sie das Eigentum eines Dritten darstellen) oder einer allgemeinen Verschleppung des Verfahrens dienen. In solchen Fällen muss dann der Gläubiger und sein Rechtsanwalt tätig werden und die Einwände des Schuldners beseitigen. Es wird hier die Aktivität des Gläubigers und nicht des Gerichtsvollziehers angefragt.
Ab der Pfändung beginnt dann für den Gläubiger die eigentliche Vollstreckung, die für den Erfolg der Vollstreckung entscheidende Bedeutung haben wird. Allerdings darf man auf keinem Fall aus dem Auge verlieren, dass bei dem konkreten Schuldner noch weitere Gläubiger auf die Pfändung warten können, was die Höhe der tatsächlich vollstreckten Forderung negativ beeinflussen kann.
Schlussfolgerung
Wir, als Kanzlei, die in dem internationalen Rechtsverkehr tätig ist, müssen zugeben, dass die oben angeführten Rechtsgrundlagen die Vollstreckung in einem grenzüberschreitenden Aspekt entscheidend verbessert haben. Oft erfahren wir Fälle, in denen die Schuldner sehr überrascht sind, dass ein ausländischer Gläubiger eine Vollstreckung in Polen doch aufgenommen hat und dass diese so schnell erfolgreich sein kann.
In Bezug auf das oben Erwähnte, kann man den Schluss ziehen, dass man dank des europäischen Rechts eine zuverlässige Grundlage für die Vollstreckung von Forderungen mit einem internationalen Kontext erhalten hat, die den Gläubigern die Durchsetzung ihrer Rechte weitgehend erleichtert. Nichtsdestotrotz muss sich ein künftiger Gläubiger bereits bei der Vertragsverhandlung und –bei dem Vertragsabschluss die Frage stellen, ob seine Rechnung beglichen bzw. ob seine Lieferung vollständig bezahlt wird. Ohne pfändbares Vermögen des Schuldners werden ja auch die besten und schnellsten Vollstreckungsmaßnahmen nichts bringen.
[1] Vgl. Voraussetzungen aus dem Art. 3 der Verordnung Nr. 805/2004, die den Voraussetzungen eines Versäumnisurteils ähneln oder ein Schuldanerkenntnis zum Gegenstand haben.
[2] Vgl. Art. 7 der Verordnung Nr. Nr. 1896/2006 und Anhang Nr. 1 zu dieser Verordnung.
[3] Gerichtsvollzieher heißt in Polen „Komornik“.
[4] Ab Januar 2019 wird dieses Recht eingeschränkt, weil man sich einen Gerichtsvollzieher innerhalb der Zuständigkeit des Berufungsgerichts (Sąd Apelacyjny) aussuchen wird.
[5] Rayongericht (Sąd Rejonowy) entspricht in der ordentlichen Gerichtsbarkeit dem deutschen Amtsgericht.
[6] Die polnische Zivilprozessordnung heißt „Kodeks postępowania cywilnego“.
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